Die Gründung der Münchner SPD am 1. März 1869

Leonhard Tauscher

Am 1. März 1869 wurde in der Nordendhalle in der Münchner Maxvorstadt ein Ableger des am 23. Mai 1863 von Ferdinand Lassalle in Leipzig gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) ins Leben gerufen. Dieses Datum gilt bis heute als das Gründungsdatum der Münchner SPD.

Initiator der Münchner Versammlung „zur Besprechung der Arbeiterfrage“ und Unterzeichner des (undatierten) Plakats war der Lackierer und Gewerkschafter Andreas Wüchner aus Augsburg, ein Mitglied des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, der in Augsburg schon 1864 begründet worden ist und unter dem Schriftsetzer und Druckereibesitzer Leonhard Tauscher als Vorsitzenden großen Zulauf hatte.

Wie wir aus einem ersten, auf Montag, den 1. März, datierten, aber von der Polizeidirektion München nicht genehmigten Plakat wissen, sollten bei der Versammlung drei bezahlte Reiseagitatoren des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins im Auftrag des Vorsitzenden Johann Baptist von Schweitzer sprechen: der Metallarbeiter Haustein aus Offenbach, der Schuhmacher Kölsch aus Mainz und der Techniker Leonhart von Bonhorst aus Wiesbaden.

Nordendhalle München
Die frühere Nordendhalle München an der Ecke Luisen-/Theresienstraße

Bei der von ungefähr 200 Arbeitern besuchten Versammlung in der Nordendhalle traten 70 Personen dem Verein bei. Im Bericht des Polizeiassessors Pfister vom 2. März ist zudem vermerkt, dass „furchtbares Schneegestöber“ herrschte.

Mit diesem Plakat wurde zur Versammlung am 1. März 1869 eingeladen
Mit diesem Plakat wurde zur Versammlung am 1. März 1869 eingeladen

Am 3. März übersandte die Polizeidirektion München an das Staatsministerium des Innern „das einzige der allerunterthänigst treu gehorsamst unterfertigten Behörde zur Verfügung stehende Statuten-Exemplar des allgemeinen deutschen Arbeitervereins in Berlin, welches von den jüngst hier auftretenden Agitatoren v(on) Bonhorst und Genossen übergeben wurde.“

Andreas Wüchner war – nur wenige Tage später – auch bei der Gründung des Würzburger Ablegers des ADAV am 12. März 1869 aktiv beteiligt und agierte dort weiter als Bevollmächtigter.

In München wird jedoch der auch aus der Augsburger ADAV-Gemeinde stammende Robert Neff zur wichtigsten Figur (zusammen mit dem Schriftsetzer Jakob Franz), der bereits am 6. März 1869 in einer Versammlung der „Lassalleaner“ im „Gasthof zum goldenen Storchen“ (Saal „Bauhof“) in der Neuhauser Gasse 3 zum 1. Vorsitzenden gewählt wird. Im April und Mai hält er mehrere Arbeiterversammlungen in München ab (meist in der Westendhalle in der Sonnenstraße), jeweils mit mehreren hundert Teilnehmern.
Neff gab in München ab 1. August 1869 auch eine eigene Parteizeitung heraus, das Wochenblatt „Der Proletarier – Sozialdemokratisches Arbeiter-Wochenblatt“, das den Aufschwung der lassalleschen Sozialdemokratie in Bayern verdeutlicht. Am 11. September 1869 veranstalteten die Mitglieder des Münchenr ADAV in der Centralhalle in der Sonnenstraße eine große Todesfeier zur Erinnerung an Ferdinand Lassale.

Zu den großen Forderungen gehörte die Einführung eines allgemeinen und direkten Wahlrechts, die aber zur Landtagswahl im Herbst 1869 noch nicht durchgesetzt werden konnten. (Michael Stephan)