In diesen Tagen jährt sich zum 70. Mal die Wiedergründung der Münchner SPD nach dem Verbot durch die Nazis und dem 2. Weltkrieg. Es waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit den Oberbürgermeistern Thomas Wimmer, Dr. Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter, Christian Ude und Dieter Reiter an der Spitze, die diese Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist: eine Weltstadt mit Herz.
Die Münchner SPD hat allen Grund, mit Stolz auf diese sieben Jahrzehnte zurück zu blicken. Sie hat ihre Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in die Tat umgesetzt und den sozialen Zusammenhalt in der Stadt garantiert.
Die amerikanische Militärregierung hatte am 25. Mai 1945 alle Parteien und Organisationen verboten. Ihr Ziel war es, politische Parteien von unten nach oben aufzubauen. Der Wiederaufbau der Sozialdemokratischen Partei in Bayern begann deshalb personell in der Regel dort, wo bis 1933 Ortsvereine bestanden hatten. Meist ließen die früheren Vorsitzenden – wie z.B. Thomas Wimmer in München – ihre alten Ämter einfach wieder aufleben.
Auch am Aufbau der örtlichen Verwaltungen waren – meist ältere und erfahrene - Sozialdemokraten beteiligt. In München wurde von der amerikanischen Militärregierung schon am 4. Mai 1945, vier Tage vor dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkrieges, zwar Karl Scharnagl als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt, der schon bis 1933 als Mitglied der Bayerischen Volkspartei dieses Amt inne gehabt hatte, zur neuen Verwaltungsspitze gehörten aber auch einige Sozialdemokraten als berufsmäßige Stadträte, darunter Karl Sebastian Preis (Wohnungs- und Siedlungsreferat ab 15. Mai 1945, später Wiederaufbaureferat), Franz Xaver Pitzer (Polizeipräsident ab 16. August 1945) und Karl Erhard (Kommunalreferat ab 4. September 1945).
Zur Unterstützung der kommunalpolitischen Arbeit wollte Scharnagl wieder einen Stadtrat mit 50 Mitgliedern und in gleicher Fraktionsstärke wie zwischen 1929 und 1933 berufen. Die Militärregierung genehmigte aber nur ein 36-köpfiges Beratergremium, das am 1. August 1945 zu seiner ersten Sitzung zusammentrat. Die SPD stellte in dem neuen Stadtrat mit elf Parteimitgliedern die stärkste Gruppierung, es dominierten aber dort die Vertreter des bürgerlichen Lagers. Zur Bewältigung der ungeheuren Wiederaufbauaufgaben wurde in der Stadtverwaltung ein Direktorium C mit einem dritten Bürgermeister an der Spitze gebildet. Auf diese Stelle wurde am 16. August 1945 Thomas Wimmer berufen. Am 1. Dezember 1945 wurde er nach dem Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers zweiter Bürgermeister auf und leitete daneben zusätzlich das Betriebsreferat.
Die zweite wichtige Persönlichkeit der SPD in München war der aus dem Schweizer Exil nach München zurückgekehrte SPD-Politiker Wilhelm Hoegner, der überwiegend landespolitisch aktiv war. Am 28. September 1945 löste er den bis dahin amtierenden BVP-Politiker Fritz Schäffer als bayerischer Ministerpräsidenten ab. Um den organisatorischen Aufbau der SPD in München kümmerte sich daher vor allem Thomas Wimmer. Als früherer Vorsitzender sammelte er einen Kreis bekannter Münchner Sozialdemokraten um sich: seinen Freund Toni Weiß, Albert Roßhaupter (Arbeitsminister in den beiden ersten bayerischen Kabinetten Schäffer und Hoegner), Gustav Schiefer und Max Peschel (vor 1933 Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender der Münchner Gewerkschaften), Josef Seifried und Franz Fendt (Innenminister bzw. Kultusminister im Kabinett Hoegner), Erwin Hielscher, Wilhelm Glade, Karl Erhart, Karl Kröpelin, Hans Fischer, Franz Xaver Pitzer, Gottlieb Branz, Ossi Zelger, Christel Roith, Hans Weinberger, Hans Preißinger und Max Allmer.
Wimmer setzte Allmer ab Juni 1945 als Verbindungsmann zu den von früher her bekannten Sozialdemokraten in den einzelnen Stadtteilen und im übrigen Oberbayern ein. Allmer stellte dann die Verbindung zu den wichtigsten oberbayerischen Städten und Gemeinden her. Da er die englische Sprache beherrschte, übernahm er auch den Kontakt zur Militärregierung. Ein provisorischer Vorstand mit Wimmer als Vorsitzenden stellte Christel Roith und Max Allmer als Sekretäre an.
Auf der Grundlage einer Direktive vom 27. August 1945 begann die Militärregierung ab September 1945 mit der offiziellen Zulassung von Parteien, zunächst aber nur beschränkt für den Bereich einzelner Städte oder Landkreise. In München erhielt am 21. November 1945 die SPD als zweite Partei nach der KPD, die schon am 1. November zugelassen worden war, von der Militärregierung die vorläufige Anerkennung und die Genehmigung zu politischer Bestätigung. Das Parteibüro befand sich damals in der Mathildenstr. 9a/II. Am 25. November 1945 trat die Münchner SPD das erste Mal mit einer großen Kundgebung im Münchner Prinzregententheater an die Öffentlichkeit. Der Andrang war so groß, dass vormittags und nachmittags zwei getrennte Veranstaltungen abgehalten werden mussten. Bürgermeister Wimmer hielt die Begrüßungsansprache und gab einen Rückblick auf die Tätigkeit der Partei. Das Hauptreferat hielt Ministerpräsident Hoegner.
Parallel dazu setzte der Wiederaufbau des Landesverbandes der SPD in Bayern ein, der am 8. Januar 1946 in die Lizenzierung durch die Militärregierung mündete. Die SPD als Landespartei wurde nun ermächtigt, in jeder Gemeinde Bayerns Wahlvorschläge und Kandidatenlisten einzureichen.
Am 25. Januar 1945 erschien erstmals wieder seit dem 8. März 1933 die „Münchner Post“, das „Nachrichtenblatt der Sozialdemokratischen Partei München“. Sie wurde im Süddeutschen Verlag gedruckt. Doch schon am 3. Mai 1946 durften auf Anordnung der Militärregierung die Nachrichtenblätter der Parteien in Bayern nicht mehr bezirksweise und unter den alten Namen erscheinen. Das Münchner Parteiblatt erschien daher zusammen mit anderen Mitteilungsblättern der SPD als „Nachrichtenblatt der Sozialdemokratischen Partei Landesverband Bayern“.
Am 27. Januar 1946 wurden in Bayern die ersten Kommunalwahlen abgehalten (zunächst nur für Gemeinden unter 20.000 Einwohner). Zeitgleich wurde als Termin für die Wahlen in den Gemeinden über 20.000 Einwohnern der 31. März 1946 angekündigt. Aus diesem Anlass schickte Thomas Wimmer noch am 23. Januar 1946 einen Brief an alle Sektionsführer, den er als „ehemaliger und provisorischer Vorsitzender“ unterzeichnete. Die Münchner SPD hatte damals 55 Sektionen mit etwa 6500 Mitglieder (zum Vergleich 1914: über 18000, 1933: 12000 Mitglieder).
Es ging Wimmer darum, die Wochen vor der (für den 31. März angesetzten) Stadtratswahl zu nutzen, um „unsere im Aufbau begriffene Organisation zu stärken“ Er schlug vor, dass in der Zeit zwischen dem 10. und 28. Februar 1946 öffentliche Sektions- und Bezirksversammlungen abgehalten werden. Dort sollte pro 15 Mitglieder ein Delegierter gewählt werden, „wobei die Frauen entsprechend zu berücksichtigen sind“ (so Wimmer) für die am 2. März 1946 angesetzte Generalversammlung. Der ursprüngliche Termin für die Stadtratswahl wurde dann jedoch vom 31. März auf den 26. Mai 1946 verschoben, so dass die Kandidatenaufstellung nicht in der ersten Generalversammlung der Münchner SPD am 2. März vorgenommen wurde. Es fanden aber die wichtigen Vorstandswahlen statt. Thomas Wimmer notierte am 2. März 1946 in sein Tagebuch (Stadtarchiv München, Nachlass Thomas Wimmer 473/39): „Generalversammlung der Partei. Zum Vorsitzenden gewählt. 279 Stimmen von 292 abgegebenen.“ Die erste große Mitgliederversammlung, also der erste offizielle Parteitag der Münchner SPD nach 1945, fand dann am 19. März 1946 in der – so die Süddeutsche Zeitung in ihrem Bericht vom 22. März 1946 – „überfüllten Kantinenhalle der Steinheil-Werke“ statt (das Gelände des 1855 gegründeten und bis 1995 bestehenden Unternehmens der optischen Industrie mit Weltruf lag an der St.-Martin-Str. 76 in Ramersdorf an der Stadtbezirksgrenze zu Obergiesing). Hauptredner war Kurt Schumacher, der politische Beauftragte der SPD für die drei westlichen Besatzungszonen. Er forderte Erhaltung und Festigung der Demokratie, gerechte soziale Lastenverteilung mit sozialistischer Konsequenz und die Erhaltung Deutschlands als nationale Einheit im Rahmen der europäischen Notwendigkeiten. Des Weiteren verlangte er die radikale Abschaffung der Rüstungsindustrie. Schumacher stellte fest: „Deutschland wird eine sozialistische oder gar keine Demokratie sein!“
Auf dieser Versammlung der Münchner SPD wurde auch eine vorläufige Satzung verabschiedet, der Vorstand und die Ausschüsse gewählt sowie die Frage der Kandidatenaufstellung für die Stadtratswahl in München behandelt. In der 1. und 2. Vorstandssitzung am 20. und 23. März 1946 konstituierte sich der neue Vorstand: Thomas Wimmer (1. Vorsitzender), Gottlieb Branz (2. Vorsitzender), Hanna Simon (Schriftführerin), Dr. Heinz Beck, Max Peschel, Bertl Heinzinger, Elisabeth Käser, Hans Weinberger und Gustav Schiefer (Beisitzer). Fünf Arbeitsausschüsse wurden gebildet; die Leitung des Organisationsausschusses übernahm Thomas Wimmer selbst; daneben gab es noch den Jugend-, Bildungs- und Werbeausschuss (mit der späteren Landtagsabgeordneten und Münchner Stadträtin Rosa Aschenbrenner als Mitarbeiterin) sowie eine Frauenkommission. Auf diesen beiden Vorstandssitzungen wurde auch die vorläufige Vorschlagsliste für die Kandidaten zur Stadtratswahl aufgestellt und der Generalversammlung zugeleitet.
Aus der ersten Stadtratswahl in München am 26. Mai 1946 (Wahlbeteiligung 85%) ging die CSU wie im ganzen Land als stärkste Partei hervor und erhielt 20 von 41 Sitzen, die SPD 17, die KPD 2, die Wirtschaftliche Aufbauvereinigung und ein Wahlbündnis mit dem Namen „Parteilose Katholiken“ je einen Sitz. Karl Scharnagl wurde am 6. Juni 1946 vom Stadtrat mit 35 von 39 Stimmen erneut zum Oberbürgermeister gewählt, Thomas Wimmer wurde in seinem Amt als zweiter Bürgermeister mit 38 von 39 Stimmen bestätigt. Damit war die erste Wiederaufbauphase der Münchner SPD abgeschlossen. Die nächste wichtige Zäsur in der Geschichte der Münchner SPD wurde die nächste Stadtratswahl vom 30. Mai 1948. Nun wurde wieder ein 50-köpfiger Stadtrat für vier Jahre gewählt (Wahlbeteiligung 79,5%). Als Wahlsieger ging diesmal trotz Stimmenverlusten die SPD mit 15 Sitzen hervor, zweitstärkste Fraktion wurde die neu zugelassene Bayernpartei mit 13 Sitzen, die CSU musste sich mit 10 Sitzen begnügen. Die weitere Sitzverteilung: KPD 6, WAV 3, FDP 2 (darunter Hildegard Brücher), und Parteilose Katholiken 1 (Otto Gritschneider). In der ersten Stadtratssitzung am 1. Juli 1948 wurde Thomas Wimmer mit den Stimmen der CSU zum Stadtoberhaupt gewählt. Dafür ermöglichten es die Stimmen der SPD-Stadträte, dass Scharnagl unter seinem bisherigen Vize als zweiter Bürgermeister weiter arbeiten konnte – auch dies ein Beleg für das gute Verhältnis der beiden Politiker. Wimmer blieb bis 1960 Oberbürgermeister von München, dann begann die Ära von Hans-Jochen Vogel (bis 1972).