Der Bericht aus dem Stadtrat: Haushalt 2026

18. Dezember 2025

Die Rede zum Haushalt unserer Fraktionsvorsitzenden von Anne Hübner (in leicht abgewandelter Form für leichtere Lesbarkeit)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

dreieinhalb Stunden sind seit Beginn der Debatte vergangen. Es ist richtig, dass die Fraktionen in der Sache hart gestritten haben. Aber das ist normal in einer Zeit, in der der Haushalt wenig Spielraum lässt und wir eben nicht eine, sondern zwei beziehungsweise vier unterschiedliche Parteien sind. Da muss man auch mal ringen. Am Ende schließe ich mich an: Wir sind immer zu Ergebnissen gekommen, auch wenn der Weg dahin manchmal schwierig war. Ich habe es sehr gerne von allen Seiten gehört – sowohl von der CSU als auch von den Grünen –, dass jeder auch in der nächsten Amtszeit gerne mit uns koalieren würde.

Es ist schwierig, nach so einer langen Debatte noch neue Punkte einzubringen. Dennoch möchte ich einiges sagen, das mir auf dem Herzen liegt und bisher zu kurz kam: Der Bezirk Oberbayern hat uns etwas voraus. Er hat seinen Haushalt letzte Woche bereits beschlossen – einen Rekordhaushalt von 3,2 Milliarden Euro. Davon fließen 93 Prozent direkt in soziale Leistungen. Die Stadt München trägt davon die bereits benannten 975 Millionen Euro. Hinter diesen Zahlen steckt etwas Wichtiges: Wir haben einen starken Sozialstaat. Gerade der Bezirk fängt diejenigen auf, die es schwer haben. Dort wird sichergestellt, dass ein Kind mit Autismus oder körperlicher Behinderung am Schulleben teilnehmen kann und eine faire Chance bekommt. Dort wird garantiert, dass jeder im Alter einen Pflegeplatz erhält und der Staat diesen bezahlt, wenn das eigene Vermögen nicht reicht. Das sind wichtige soziale Errungenschaften, die über Jahrzehnte geschaffen wurden.

Wenn wir heute über die Kosten sprechen, dürfen wir das Positive nicht vergessen. Dennoch: Blicken wir auf die letzten zehn Jahre, sehen wir eine Verdoppelung der Bezirksumlage – das sind rund 500 Millionen Euro mehr. Der Grund liegt unter anderem in der Eingliederungshilfe, deren Kosten im Bezirk jährlich um 200 Millionen auf mittlerweile 1,8 Milliarden Euro gestiegen sind. Die Hilfe zur Pflege stieg um 66 Prozent auf 480 Millionen Euro. Am Ende wird das alles auf die Kommune umgelegt. Rechnet man diese Steigerungen und unsere eigenen Mehrkosten im Sozialen zusammen, liegen wir seit 2014 bei einer Milliarde Euro Mehrkosten. Wenn wir diese Errungenschaften in den nächsten Jahren erhalten wollen, müssen Bund und Freistaat einen größeren Teil übernehmen. Andernfalls müssen die Kommunen in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen massive Einschnitte vornehmen.

Ich habe diese Woche ein Video von Markus Söder gesehen – allerdings ohne Ton, anders hätte ich es nicht ertragen. Darin spielte er Gruppen gegeneinander aus: Es könne nicht sein, dass der Staat sich mehr um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling kümmere als um eine deutsche Rentnerin. Ich finde es unerhört, auf diese Weise Politik zu machen. Ein unbegleiteter Flüchtling ist ein Kind mit traumatischer Fluchterfahrung. Die Interessen dieses Kindes gegen die einer Rentnerin auszuspielen, führt uns früher oder später an den Abgrund. Ich bin dankbar, dass wir uns in diesem Haus nicht auf dieses Niveau begeben haben.

Wir haben auch einen eigenen Anteil an den Kostensteigerungen. Wir hatten 2014 im Sozialen einen Zuschussbereich von 140 Millionen Euro und haben jetzt 200 Millionen mehr. Es ist richtig, dass wir unsere Leistungen überprüfen. Das darf sich aber nicht auf den sogenannten „freiwilligen Bereich“ beschränken. Wir müssen insgesamt in unsere Strukturen schauen. Denn was heißt schon „freiwillig“? Ist es freiwillig, dass eine Beratungsstelle da ist, damit Kinder bei konfliktreichen Scheidungen nicht unter die Räder kommen? Dass ein Mädchen mit Behinderung nach einem sexuellen Übergriff eine Ansprechstelle hat? Dass Frau Stoiber in Sendling nach einem Sturz warmes Essen vom Alten- und Servicezentrum nach Hause geliefert bekommt? Genau diese Dinge machen München lebenswert für alle.

Das Regieren der letzten sechs Jahre war oft von Sorgen geprägt. Wir haben die negative Finanzentwicklung für die Kommunen unterschätzt, in der Hoffnung, es würde wieder besser. Das ist nicht passiert. Zwar haben wir bei der Einkommenssteuer zugelegt, aber der Umsatzsteueranteil ist gesunken, während wir allein im Sozialbereich eine Milliarde Euro Mehrkosten haben. Wir hätten früher gegensteuern können. Immerhin läuft im Sozialreferat nun ein Prozess, der das aktiv angeht. Wir werden dafür sorgen, dass auch nach schwierigen Entscheidungen viel für diese Stadt bleibt. Aber ohne strukturelle Änderungen nutzen uns Kürzungen im freiwilligen Bereich nichts.

Ein anschauliches Beispiel: 2015 hatten wir in der stationären Jugendhilfe 4.650 Plätze für 215 Millionen Euro. Inzwischen haben wir weniger Plätze (4.450), zahlen aber 350 Millionen Euro. Hier werden Standards weitestgehend von der Regierung von Oberbayern vorgegeben.

Ein Blick auf das große Ganze: Die Kosten für Arzneimittelverschreibungen bei den Krankenkassen haben sich in 15 Jahren auf 55 Milliarden Euro verdoppelt. Die Rentenversicherung wendet inzwischen 430 Milliarden Euro auf, damit die Menschen ihre Rente immer pünktlich bekommen - 70 Prozent mehr als vor 15 Jahren. Auf uns kommen schwere Diskussionen zu, denn irgendjemand muss es bezahlen. Mich stört, dass diese Diskussionen oft konfrontativ geführt werden, die da oben gegen die da unten mit einem wilden Durcheinander. Stattdessen sollten wir schauen: Was ist uns wichtig? Was verbindet uns und wo gibt es einen Konsens darüber, was wir uns weiterhin leisten wollen?

Es gibt in diesem Land viel Wertschöpfung. Die vier Münchner DAX-Konzerne (BMW, Allianz, Münchner Rück, MTU) haben ihren Gewinn von 2014 bis 2024 verdoppelt. Wir müssen besprechen, wie dieser Reichtum der Gesellschaft zugutekommt, anstatt unversöhnlich aufeinander loszugehen. Der politische Dialog ist rauer geworden. Aber das Rumhacken auf dem politischen Gegner und nicht einhaltbare Wahlversprechen helfen uns nicht. Es braucht das Zusammenwirken über alle Ebenen – Bund, Land, Stadt – und zwischen den Parteien. Es ist nicht legitim, für ein paar Likes so zu tun, als stünde die Stadt am Abgrund und die SPD sei alleinverantwortlich. Man merkt, wie sehr alle Verantwortlichen ringen, um einen Kahlschlag zu vermeiden. Christoph, dir möchte ich als Kämmerer besonders danken. Du hast schwierige Entscheidungen durchgestanden und vieles auf deine Kappe genommen, obwohl viele gerne sagten: „Der will uns kein Geld geben.“ Das verdient Respekt.

Als Koalition mussten wir uns von vielen Idealvorstellungen verabschieden; Pragmatismus ist eingekehrt. Wir sind ehrlich: Wir können uns die soziale Landschaft in diesem Umfang so nicht mehr leisten. Das bietet aber auch die Chance, Angebote neu an den heutigen Bedarf anzupassen. München war immer wirtschaftlich stark, sozial gerecht und menschlich verbindend. Das wird so bleiben – jedenfalls, wenn die SPD mitregiert und Verantwortung übernimmt. Kritisieren ist leicht, machen ist schwerer. Ich würde sagen, 95 Prozent unserer Arbeit in dieser Amtszeit sind gut gelaufen. Zu den Fehlern stehen wir. Wir sind verantwortungsbewusst mit der schwierigen Lage umgegangen und tun das gerne auch künftig. Ein Wort zur SPD-Fraktion: Wir vereinen ein breites Spektrum. Wir müssen Meinungen zusammenführen, die es anderswo getrennt bei der CSU oder den Grünen gibt. Wir kommen aus der Arbeiterbewegung, wissen aber auch, dass der Münchner Wohlstand auf der Wirtschaft und der Gewerbesteuer fußt. Diesen Ausgleich zu schaffen, ist die wesentliche Aufgabe der SPD im Rathaus. Zum Schluss: Wir muten den städtischen Beschäftigten viel zu. Von den beschlossenen 10.000 Stellen sind seit 2014 real nur etwa 3.200 Vollzeitstellen in der Kernverwaltung angekommen (der Rest ist u.a. Kita). Mit der notwendigen Personalstrategie werden wir Stellen über Fluktuation wieder abbauen. Mir bereitet Sorge, wie wir die gewachsenen Aufgaben – durch Bevölkerungswachstum oder die Folgen des Ukraine-Kriegs – mit dem Personalstand von 2014 bewältigen sollen. Daher ist uns wichtig, dass die Beschäftigten und Personalvertretungen eng in diesen Prozess eingebunden werden. Wir können nur so viel Personal haben, wie wir bezahlen können. Dass das Härten mit sich bringt, ist unausweichlich. Ich hoffe, dass der nächste Stadtrat jenseits von Social-Media-Reels den Blick für das Detail und die „Schreibtischarbeit“ behält. Damit wir uns das München bewahren können, das wir über Jahrzehnte aufgebaut haben. Vielen Dank.

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