12.09.2024, 18:00 Uhr | SPD München, Oberanger 38/4. Stock, 80331 München
Liebe Genossinnen und Genossen,
zur nächsten Sitzung des Arbeitskreises Sozialpolitik laden wir Euch hiermit herzlich ein.
Impulsbeiträge:
• Frater Prior Emmanuel Rotter OSB, Hausleitung Obdachlosenhilfe St. Bonifaz im
Haneberghaus
• Gerhard Mayer, Leiter des Amtes für Wohnen und Migration der LH München
Diskussion und Aussprache
Zum Schwerpunktthema der Sitzung: Wir hören in politischen Reden stets Lobeshymnen auf das Friedensprojekt Europa und die europäischen Werte- und sind dabei gleichzeitig gefordert zu hinterfragen, was diese Werte eigentlich sind, bzw. für wen diese Werte wann und unter welchen Bedingungen eigentlich gelten- oder für wen vielleicht auch nicht. Auch an der polnisch- belarussischen Grenze konnten wir vor Ausbruch des Krieges aus der Tages- presse Vorgänge und Zustände entnehmen und beobachten, die mit den Festtagswerten der Europäischen Union nicht in Einklang zu bringen sind. Mit klarem Blick in die EU selbst muss die Frage gestattet sein, ob es vielleicht gerade die gravierenden wirtschaftlichen Unterschiede in der EU selbst sind, die nicht nur dazu beitragen, eine gemeinschaftliche Flüchtlings- und Migrationspolitik verhindern, sondern vielmehr darüber hinaus auch Migrationsbewegungen innerhalb der EU selbst provozieren und auslösen- und so zu einer immer größer werdenden Herausforderung vor allem auch für die bayerischen Kommunen werden.
Denn viele Menschen, die seit dem EU-Beitritt aus u.a. Rumänien und Bulgarien in deutsche Städte zugewandert sind, haben vor allem in Bayern schnell Arbeit und sozialen Anschluss gefunden, weil sie gut qualifiziert und ausgebildet sind- und wir entsprechend der demographischen Entwicklung Arbeitskräfte gut gebrauchen können. Weiter ungelöst ist dagegen die Integration vor allem der Menschen, die ohne Berufsabschluss oder Ausbildung kamen und weiterhin kommen und teilweise schon in ihren Herkunfts-ländern ausgegrenzt wurden und Diskriminierung erfahren haben.
Integration kann nur gelingen, wenn wir den zu uns kommenden Menschen Sprache, Wissen, Qualifikation und Werte vermitteln, eine gesundheitliche Versorgung ermöglichen, sie vor ausbeuterischen und kriminellen Strukturen besser schützen und sie für den Arbeitsmarkt fit machen. Diese Aufgabenfülle ist jedoch zu groß, als dass die betroffenen Städte in Bayern sie allein stemmen könnten. Das Bundesland Bayern muss über den Bundesrat dafür Sorge tragen, dass Bund und EU mit den Bundesländern und den Städten gemeinsam eine Gesamtstrategie entwickeln. Dazu gehört ein konkretes Maßnahmenpaket, das echte Integrationschancen über Bildung und Zugänge zum Arbeitsmarkt ermöglicht.
Wenn in diesen Tagen mit dem Wort ‚Asyltourismus‘ die Aufkündigung des Sozialstaatsprinzips durch die Abschaffung des sozio- kulturellen Existenzminimums im Kontext der Menschenwürde oder die Einführung der Bezahlkarte (die bayerische Version ist ganz aktuell vom Sozialgericht in Nürnberg als rechtswidrig befunden worden) gefordert wird, um damit angeblich Einfluss auf die Migrationsbewegungen zu nehmen, lohnt sich der Blick zurück:
In der deutschen Politik entstand schon 2015/ 2016 der Eindruck, man müsse gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen vorgehen, offenkundig vor allem auch, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wobei schon Missbrauch eine recht irritierende Bezeichnung für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen ist, die nach Rechtslage vollkommen korrekt gewährt wurden- es war offenkundig vielmehr die Rechtslage selbst, die als Wasser auf die Mühlen einer bestimmten Partei empfunden wurde. Herausgekommen ist unter der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles eine seit 2017 mittlerweile von Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestufte und immer noch nicht veränderte Gesetzgebung, die insbesondere Menschen aus Osteuropa für die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik von nicht weniger als 5 Jahren von jeglichen Sozialleistungen ausschließt. Eine Gesetzgebung, mit der man einen unterstellten Missbrauch deutscher Sozialsysteme durch Menschen aus Osteuropa verhindern will, das Wort ‚Sozialtourismus‘ wurde eigens dafür geschaffen- in Bayern.
Heute muss man nun nüchtern konstatieren, dass es den beteiligten Parteien auf Bundesebene seit 2017 weder nachhaltig gelungen ist, damit auch nur eine an die AFD verlorene Wähler*innenstimme zurückzugewinnen, noch dass es gelungen ist, dass eine nennenswerte Anzahl betroffener Personen in ihr Heimatland zurückgekehrt ist. Doch nun besteht seit fast 8 Jahren die schizophrene Situation in den Städten und Gemeinden, dass sie das in Artikel II garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit umsetzen und im Zuge der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben eine obdachlose Person zwar ordnungsrechtlich unterbringen müssen, ohne aber die Instrumente des SGB II oder XII nutzen zu können, um an der grundlegenden Situation betroffener Menschen etwas ändern zu können. Wie sich die Situation in München aktuell gestaltet- und welche Möglichkeiten und Strategien aktuell sowie zukünftig zum Tragen kommen soll(t)en und müss(t)en- dies soll Gegenstand der anstehenden Sitzung sein.
Wir hoffen auf eine spannende und lösungsorientierte Diskussion! Freundschaft!
Barbara Likus Lorans El Sabee Jörn Scheuermann